"Jedes Jahr übernehmen am 8. März in Italien die Frauen für einen Tag das Regiment im Land: „Festa della Donna“ heißt die Zauberformel. Schon Wochen im Voraus wird bis ins Detail genau geplant, wie und wo der Tag begangen werden soll. Restaurants, Pizzerien, Discotheken und Reisebüros haben sich darauf eingestellt und bieten Specials und Events für jeden Geschmack an.
Freundinnen, Nachbarinnen und Kolleginnen schlagen am 8. März in einer Mischung aus Junggesellinnenabschied und Weiberfasnacht über die Stränge. Männliche Stripper hetzen von Auftritt zu Auftritt und während die Frauen in Hochstimmung sind, hängen Ehemänner und Freunde etwas verloren in den Bars herum. Erst um Mitternacht hat der Spuk ein Ende...
Die Lokale profitieren kräftig von diesem Großereignis, doch nicht nur sie. Für die Blumenhändler ist der 8. März, wie Muttertag und Valentinstag zusammen. Sie machen mit Mimosenzweigen Rekordumsätze, denn ohne Mimosen kein Frauentag. Dass die gelben Frühlingsboten heute in Italien für den Frauentag stehen, geht auf das Jahr 1946 zurück: Die Vertreterinnen der UDI (Unione Donne Italiane) waren bei ihrem ersten Nachkriegstreffen in Rom auf der Suche nach einem Symbol für den gerade wieder entdeckten Gedenktag. Vor den Fenstern ihrer Tagungsstätte - es war März - standen die Mimosen in voller Blüte...
Seit damals werden jedes Jahr in Italien am 8. März Millionen Mimosenzweige verkauft – zumeist an Männer, die sie als freundliche Geste der Anerkennung den Frauen überreichen. Aber auch die Frauen selbst beschenken sich untereinander mit den gelben Blüten. 90% der Wedel werden in Ligurien produziert. Den alljährlichen Radikalschnitt verkraften die schnell wachsenden, aber kurzlebigen Bäume offenbar problemlos. Allein in der Provinz Imperia werden mehr als 150 000 Kartons zu je drei Kilo Blüten gepackt und auf dem Blumenmarkt in San Remo verkauft. Auch die fliegenden Dienstleister partizipieren an dem Geschäft: An den Verkehrsampeln in den Ballungszentren werden den bei Rot Wartenden Mimosen aufgedrängt: 3 Euro, prego.
Gelb ist heute überall angesagt, nicht nur in der Vase. Die Tisch-Deko ist farblich dem Anlass ebenso angepasst, wie die Speisekarte, auf der die „torta mimosa“ nicht fehlen darf. Ihre Oberfläche ist mit zerbröselten Biskuits dekoriert und erinnert damit – wenn auch vage - an das duftige Frauentagssymbol. Die Mimose selbst sollte man tunlichst nicht in der Küche verwenden: sie ist in allen Teilen giftig!
Wie man die zarten Blüten über den Tag rettet, beschäftigt jedes Jahr aufs Neue die Service-Abteilungen von Fernsehen und Tagespresse. Die Blätter zu entfernen soll die Lebensdauer verlängern, warmes Wasser in der Vase lässt angeblich auch die ungeöffneten Blüten aufgehen. Trockene Heizungsluft mögen sie gar nicht. Wer aber schon einmal einen Strauß Mimosen zuhause hatte, kennt den wahren Grund, warum die Zweige bereits anderntags diskret entsorgt werden: Der betäubende, fast penetrante Duft der Blüten raubt einem den Schlaf.
Im streng-botanischen Sinn handelt es sich bei den am „Festa della Donna“ allgegenwärtigen Blütenwedeln eigentlich gar nicht um eine Mimose, sondern um eine Akazie, genauer gesagt um „Acacia dealbata“. Die hat ihre Heimat in Australien und verträgt keinen Frost. Dies dürfte auch der Grund sein, warum sich der Brauch, am 8. März Mimosen zu schenken, in Nordeuropa nicht durchsetzen konnte. Die eigentliche Mimose mit der sprichwörtlichen Empfindlichkeit stammt hingegen aus Amerika, blüht eher unscheinbar und ist nur eine entfernte Verwandte der „Acacia dealbata“.
Aber das ist nicht die einzige Kuriosität im Zusammenhang mit dem 8. März. So gibt es mehrere, recht unterschiedliche Entstehungsmythen und -daten rund um den heute weltweit begangenen Frauentag. Dass er seine Wurzeln im Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen und das Frauenwahlrecht hat, darüber zumindest herrschte lange Einigkeit. Die enge Verbindung dieser Bewegung zu den kommunistischen Parteien führte jedoch im Kalten Krieg zu einer „Anpassung“ der Entstehungsgeschichte. So wird heute allgemein eine Tragödie als Ursprung des Frauentags ins Feld geführt, die sich 1908 in New York ereignete. 129 streikende Textilarbeiterinnen verbrannten damals in einer Fabrikhalle, in der sie von ihrem Boss festgehalten wurden. Unter den Opfern sollen viele italienische Migrantinnen gewesen sein.
Doch daran denkt kaum jemand mehr am 8. März, ebenso wenig, wie an die großen Ziele der Frauenbewegung, die zum Teil noch heute ihrer Umsetzung harren. Dass 92% der 2008 für eine Studie befragten Ligurerinnen die weibliche Beteiligung an der Politik nach wie vor als unzureichend empfinden, verwundert wenig. Feiern werden viele der Damen wahrscheinlich trotzdem. La lotta continua."
via mondoligure
Spannend, skurril und etwas überspannt, dieser Frauentag in Italien... ;-)
AntwortenLöschenLiebe Grüsse,
Brigitte
Die Italienerinnen und die Mimosen - ja, schaut Euch das mal an!
AntwortenLöschenOh, das mit den Hochstapler-Mimosen wusste ich noch gar nicht und dabei liebe ich Ligurien. LG Mila
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